Im Rahmen des Modellprojekts „POINT – Potentiale integrieren“, das von der Goldnetz gGmbH / e. V. durchgeführt wurde, wurden von Anfang 2017 bis Ende 2019 insgesamt 116 Frauen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren, die alleine oder mit ihren Kindern nach Deutschland gekommen waren, begleitet. Der Kontakt zu den Frauen (aus Syrien, Iran, Irak, Afghanistan, Eritrea und Somalia) entstand dabei in vielen Fällen sehr früh, also bereits wenige Wochen nach der Ankunft in Deutschland. Deutsche Sprachkenntnisse wurden nicht vorausgesetzt. Gegebenenfalls wurde in die Begleitung eine feste Sprachmittlerin eingebunden, die sich mit zunehmendem deutschen Spracherwerb aus den Gesprächen zurückzog.
Im Projektzeitraum konnten ca. 40 Prozent der Frauen konkrete Arbeitserfahrungen sammeln. Bei Projektende hatten 12 Prozent der Teilnehmerinnen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt. 15 Prozent befanden sich in der Berufsorientierung bzw. im Bewerbungsverfahren. 18 Prozent nahmen an einer Qualifizierungsmaßnahme und 30 Prozent an einem Spracherwerbskurs teil. Rund 10 Prozent der Teilnehmerinnen war mit der Stabilisierung ihrer Lebenssituation befasst. Insgesamt hat sich die Lebenssituation der Teilnehmerinnen seit Ende des Projektzeitraums deutlich stabilisiert und ist auch trotz der Corona-Pandemie stabil geblieben. Zum Vergleich: Laut den Vergleichszahlen der Bundesbeauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration von 2019 lag die Erwerbsbeteiligung geflüchteter Frauen insgesamt bei lediglich 13 Prozent.
Vorhandene Angebote mit individueller Hilfe verbinden
Für Frauen mit Fluchterfahrung stehen die Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt meist schlecht. Mangelnde Sprachkenntnisse bzw. Qualifikationen, der häufig ungeklärte Aufenthaltsstatus sowie eine schwierige Wohnsituation erschweren den Zugang zum Arbeitsmarkt. Der ganzheitliche Ansatz des Modellprojekts berücksichtigte diese unterschiedlichen Problemlagen und wirkt nachhaltig. Er verzahnte bereits vorhandene Regelangebote wie Sprach- und Integrationskurse unter anderem mit Job-Coaching, psychosozialer Begleitung, bedarfsorientierter Kinderbetreuung sowie Unterstützung bei der Wohnungssuche.
Es hat sich gezeigt, dass vor allem der Kontakt mit den Job-Coaches, die Teilnahme an den sogenannten POINT.Cafés (informelle Austauschtreffen) sowie die von POINT aktiv verschickten Informationsimpulse von den Teilnehmerinnen als große Unterstützung beim Einleben in Deutschland angesehen werden. Ehrenamtliche Strukturen ergänzten das professionelle Angebot. Die sogenannten „POINT.Sisters“ standen den Teilnehmerinnen im Alltag zur Seite, gaben hilfreiche Tipps und unterstützten so die Anbindung an die neue gesellschaftliche Lebenswelt. Ein Netzwerk aus Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Institutionen aus der Region Berlin begleitete das Modellprojekt während der gesamten Projektzeitlaufzeit. Die Fachleute trafen sich vierteljährlich und gaben wichtige Impulse, die den Unterstützungsbedarf der geflüchteten Frauen in besonderer Weise berücksichtigten. Gleichzeitig erfolgte so auch der Transfer der gewonnenen Erkenntnisse in die am Kooperationsnetzwerk beteiligten Organisationen.
Die Vernetzung mit der Gesellschaft und untereinander ist laut der Nachhaltigkeitsstudie ein wesentlicher Punkt für den langfristigen Erfolg von Integrationsprojekten wie POINT. Netzwerke sind nicht nur bei der Suche nach einem Job oder der Berufsorientierung wichtig, sondern können auch für viele andere Fragen und Herausforderungen genutzt werden. Entsprechende Angebote für Frauen mit Fluchterfahrungen sollten die Vernetzung daher auf allen Ebenen gezielt fördern – Seminarreihen und Workshops können dabei ebenso helfen wie gemeinsame Freizeitaktivitäten und Feste. Wichtig ist zudem, dass den Geflüchteten auf Augenhöhe begegnet wird. Die niedrigschwelligen, gleichzeitig aber sehr professionell organisierten Angebote sollen zudem dazu beitragen, Vertrauen in das System des Aufnahmelandes zu gewinnen und gleichzeitig die grundsätzlichen Regeln und Erwartungen der öffentlichen Einrichtungen kennenzulernen. Das erleichtert künftige selbstständige Kontakte zu weiteren Anlaufstellen und einen strukturierten Austausch.
Lotsensystem für mehr Vertrauen und verlässliche Strukturen
Das POINT-Projekt hat außerdem gezeigt, dass ein ganzheitlich konzipiertes Lotsensystem die Integration für alle Beteiligten erleichtert. Eine feste Ansprechperson koordiniert zwischen den verschiedenen Kontakten der Geflüchteten, reflektiert mit ihnen die jeweiligen Gesprächsergebnisse und hilft bei der Orientierung und weiteren Planung des Einstiegswegs. So müssen die Betroffenen ihre eigene, oft schwierige Geschichte nicht immer wieder neu erzählen und können sich leichter auf die neue Situation konzentrieren.
Als weitere Schlussfolgerung aus der Nachhaltigkeitsstudie sollten Angebote so vielfältig und flexibel gestaltet sein, dass jede Frau für sich die persönlich optimale Unterstützung findet, ihren Bedürfnissen und ihrer Persönlichkeit entsprechend. Ein Baukastensystem, das verschiedene Projektelemente sowie Kontakt- und Kommunikationskanäle bereithält, kann einerseits Angebote effizient bündeln und andererseits ein individuelles Tempo und Kommunikationsverhalten berücksichtigen. Frauen können so ihren eigenen Weg in ihrer eigenen Geschwindigkeit gehen.
Ebenfalls wichtig für eigene Entscheidungen und die eigene Entwicklung ist es, den Frauen ein umfassendes Informationsangebot zu den unterschiedlichsten Themen und Lebensbereichen zu geben. Gefragt sind hier kurze Informationen, die nicht mit Details überfordern, aber zeigen, welche Möglichkeiten zur Verfügung stehen.
Weitere Erfahrungen und Ergebnisse des gleichstellungspolitischen Modellprojekts zur Integration allein geflüchteter Frauen in Arbeit und Ausbildung „POINT – Potentiale integrieren“ sind in einem Praxishandbuch zusammengefasst. Die Broschüre können Interessierte unter dem folgenden Link downloaden.