Viele Studien zeigen: Diversität ist eine Ressource
Mittlerweile gibt es viele Studien, Forschungsarbeiten und experimentelle Untersuchungen, die belegen, dass Diversität eine Ressource bedeutet. In der Lage zu sein, als Organisation oder Unternehmen, Fähigkeiten, Kompetenzen und Kenntnisse von Mitarbeitenden mit unterschiedlichen Erfahrungswelten und Perspektiven zu nutzen, kann einen wirtschaftlichen Vorteil begründen. Schon in den 1960er Jahren hat eine der größten wissenschaftlichen, bildungspolitischen Untersuchungen in den USA ergeben, dass die Leistungen von Schülerinnen und Schülern dann besonders hoch sind, wenn es in der Schule gelingt, Kinder und Jugendliche aus unterschiedlichen sozialen und kulturellen Hintergründen gemeinsam zu unterrichten.
Eine diverse oder diversitätsorientierte Zusammensetzung von Belegschaft und Führungsteams, so zeigen aktuelle Untersuchungen, kann die Zufriedenheit, die Leistung und die Innovationskraft stärken. Aktuelle gesellschaftliche und demografische Entwicklungen erhöhen die Notwendigkeit, nicht nur die ‚üblichen‘ Bewerberinnen und Bewerber auszuwählen. Das gesamte Potenzial auszuschöpfen, ist nicht mehr nur eine ethische, sondern längst auch eine wirtschaftliche Frage.
Einstellungen und Handeln reflektieren
Um dies zu erreichen, braucht es jedoch mehr als die Einstellung, dass sich ja jeder oder jede bewerben kann und die Qualifikation das primäre Auswahlkriterium sei. Die Wahrnehmung von Menschen ist von persönlichen, sozialen und kulturellen Verzerrungen und Vorurteilen geprägt. Wie stark diese unsere Entscheidungen beeinflussen, zeigen eindrucksvoll die Ergebnisse folgender Intervention: 1970 lag der Frauenanteil unter den Musikerinnen und Musikern in großen, staatlich geförderten Orchestern bei fünf Prozent. Selbstverständlich achteten die Dirigentinnen und Dirigenten beim Auswahlprozess primär auf die musikalische Qualität und waren sich ihrer Voreingenommenheit nicht bewusst. Allerdings wuchs der Anteil von Musikerinnen bis heute auf 35 Prozent, nachdem mehr und mehr Orchester auf ‚blindes Vorspielen‘ hinter einem Vorhang oder Wandschirm umgestellt haben. Dies hat den Pool an talentierten und qualifizierten Musikerinnen und Musikern im Prinzip verdoppelt und das Aussehen von Orchester verändert.
Nicht nur werden Frauen in ‚männerdominierten‘ oder in ‚typisch männlichen‘ Berufen diskriminiert. Auch Männer erfahren Diskriminierung, wenn sie sich für ‚typische Frauenberufe‘ entscheiden. Frauen können alles, was Männer können und umgekehrt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass alle Menschen sich von den gleichen Aufgaben angezogen fühlen oder unter den gleichen Bedingungen Höchstleistungen erbringen. Verhaltenswissenschaften und soziologische Studien zeigen, dass ‚Geschlecht‘ ein prägendes Merkmal ist, welches das Selbst- und Fremdbild und damit einhergehende Präferenzen und Entscheidungen auf vielfache Weise beeinflusst. Zudem werden solche Wahrnehmungs- und Beurteilungsmuster durch soziale und kulturelle Rollenbilder und stereotype Erwartungen verstärkt. Verzerrte Wahrnehmungen sind auf beiden Seiten vorhanden – auf der Seite derer, die einstellen ebenso wie auf der Seite derer, die entscheiden, ob sie sich auf eine Stelle bewerben oder sich für einen Karriereweg interessieren.
Die Spielregeln ändern
Bekannt ist, dass die Performance umso besser ist, je stärker die Diversität auf unterschiedlichen Kompetenzen beruht, die für eine Aufgabe relevant sind. In Wirklichkeit wird jedoch in der Regel nach persönlicher Präferenz oder kultureller Passung eingestellt und auch befördert.
Eine diversitätsorientierte Einstellungs- und Personalpolitik erfordert mithin, die Spielregeln zu ändern. Angefangen davon, in der Ausschreibung und Bekanntmachung darauf zu achten, dass sich sprachlich und inhaltlich unterschiedliche Bewerberinnen und Bewerber angesprochen fühlen, über Vorkehrungen, die verzerrten Entscheidungsfindungsprozessen vorbeugen hin zu Leistungsbewertungen, die relativ zu geeigneten Vergleichsfälle bewerten oder die Wirkung der Bewertung auf Stellenbesetzung, Beförderung und die anschließende Performance des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin überprüfen. Immer mehr Ansätze und Instrumente unterstützen hierfür persönliche Einschätzungen mit datengestützten Analysen.
Spielregeln können nicht zuletzt geändert werden, indem Organisationen und Unternehmen transparent machen, welche Unterschiede bei der Zusammensetzung der Belegschaft, der Bezahlung oder der Beförderung beispielsweise nach Geschlecht, Alter oder auch Migrationshintergrund bestehen. Dies schlägt eine Brücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit, zwischen Anspruch und Handlung. Subjektive Wahrnehmung – ob bewusst oder unbewusst – können so objektiviert werden. Die Unterschiedlichkeit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als Ressource gefördert und gestärkt werden.