Erfolgsgeschichte Beruflicher Wiedereinstieg Wiedereinstieg durch altersunabhängige (Teilzeit-)Ausbildung

Elisabeth Hoffmann-Gallhoff blättert in aufgeschlagener Akte
© Heinz Beumer

perspektiven-schaffen.de: Sie fördern den beruflichen Einstieg beziehungsweise Wiedereinstieg von Frauen, indem sie altersunabhängige Ausbildungsplätze – auch in Teilzeit – zur Verfügung stellen. Wie kam es zu dieser Idee?

Elisabeth Hoffmann-Gallhoff: Ich probiere gerne Neues aus und mache anderen Menschen gerne Mut. Vor einigen Jahren habe ich meine ersten Erfahrungen mit einem älteren Auszubildenden gemacht. Ein Jura-Student, der zweimal die Prüfung zum Staatsexamen nicht bestanden hatte, fragte mich nach einer Ausbildungsmöglichkeit, da er unbedingt im juristischen Bereich tätig sein wollte. Mit Anfang 30 hat er in meiner Kanzlei erfolgreich die Ausbildung zum Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten abgeschlossen. Dass es möglich ist, Teilzeitausbildungsplätze anzubieten, wusste ich zunächst nicht. Ich erfuhr erstmalig davon, als ich in der Funktion als Sprecherin der Unternehmerinnen-Initiative im Verein ‚Initiative Wirtschaftsstandort Kreis Herford e.V.‘ mit den Gleichstellungsbeauftragten aus dem Kreis Herford zu einem Kooperationsgespräch zusammenkam. Das Thema Teilzeitausbildung hat mich sofort begeistert. Als Familienrechtlerin weiß ich, wie wichtig es ist, dass Frauen über eine gute Erstausbildung verfügen, um sich existenzsichernd finanzieren zu können. Denn seit der Reform des Familienrechts 2008 gilt: Wenn eine Ehe scheitert, hat jede beziehungsweise jeder grundsätzlich für sich selbst zu sorgen.

Ich habe mich sofort gekümmert und bei der örtlichen Agentur für Arbeit meinen ersten Teilzeitausbildungsplatz angeboten. Über den Bildungsträger IN VIA Bielefeld-Herford e.V. Katholischer Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit (IN VIA Bielefeld-Herford e.V.), der im Auftrag der Agentur für Arbeit berufliche Wiedereinsteigerinnen begleitet, meldete sich ziemlich schnell die erste Bewerberin. Und sie wurde es dann auch. Sie kennenzulernen, war wie ein Geschenk. Meine Auszubildende war damals Anfang 20 und Mutter eines Kindes. Inzwischen arbeitet sie erfolgreich als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte in einer anderen Kanzlei. In meiner Kanzlei bilde ich nun schon die dritte berufliche Wiedereinsteigerin in Teilzeit aus und habe aktuell eine weitere Interessentin, die demnächst ein Praktikum bei uns macht.

perspektiven-schaffen.de: Wie gestaltet sich die Teilzeitausbildung konkret? Welche Erfahrungen machen Sie mit dem Modell?

Elisabeth Hoffmann-Gallhoff: Die Teilzeitauszubildende besucht im Rahmen der dualen Ausbildung regulär den Schulunterricht. Die praktische Ausbildung in meiner Kanzlei findet mit reduzierter Arbeitszeit statt, so dass die Auszubildende Beruf und Familie gut miteinander vereinbaren kann. Bei einem Vertrag über 30 Wochenstunden bleibt es bei der üblichen Ausbildungsdauer, bei einem 25-Wochenstunden-Vertrag verlängert sich der Gesamtzeitraum um ein halbes Jahr. Aktuell habe ich zwei Teilzeitauszubildende im Alter von 43 Jahren im ersten Ausbildungsjahr bzw. im Alter von 30 im dritten Ausbildungsjahr. Wir konnten das so gestalten, dass die Anwesenheit der beiden in den jeweiligen Schulen und in meiner Kanzlei zeitversetzt erfolgt. Für mein Team und mich bedeutet das, dass immer eine der beiden Auszubildenden anwesend ist und uns unterstützt. Ein wichtiger Erfolgsfaktor dafür, dass das alles gut funktioniert, ist, dass mein Team voll und ganz hinter dem Konzept steht.

Allerdings haben wir im Rahmen der drei Teilzeitausbildungen auch schon einige bürokratische Hürden überwinden müssen. Meine erste Auszubildende erhielt zwei Tage vor Beginn der Lehre die Mitteilung, dass in der Schule keine Klasse für Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte zustande gekommen war, weil sich nur 13 statt der 16 geforderten Schülerinnen und Schüler angemeldet hatten. Sie wollte schon aufgeben. Aber mein Team ermutigte sie sehr dranzubleiben, und ich setzte alle Hebel in Bewegung, damit die Ausbildung starten konnte. Das gelang schließlich, indem wir eine Sondergenehmigung bei den zuständigen Anwaltskammern erwirkten, die es ermöglichte, dass sie die Schule im nahegelegenen Osnabrück in Niedersachsen, also in einem anderen Bundesland, besuchen und den praktischen Teil bei uns in Bünde in Nordrhein-Westfalen absolvieren konnte.

Meine zweite Teilzeitauszubildende hatte in meiner Kanzlei zunächst ein zweiwöchiges Praktikum im Rahmen einer Maßnahme des IN VIA Bielefeld-Herford e.V. durchlaufen. Ich fand sie sofort toll und wusste es sehr zu schätzen, wie sie sich in der kurzen Zeit engagiert einbrachte. Ich war im Prinzip bereit, ihr – völlig ungeplant – einen Teilzeitausbildungsplatz einzurichten. Allerdings weiß ich aus Erfahrung, dass ein zweiwöchiges Praktikum zeitlich nicht ausreicht, damit beide Seiten, die potenzielle Auszubildende und der Ausbildungsbetrieb, sicher sein können, dass alle Faktoren, wie zum Beispiel Vereinbarkeitsaspekte, Zusammenarbeit im Team, für die mehrjährige Ausbildungsdauer gut passen. Mit einigen Mühen ist es uns gelungen, das zuständige Jobcenter zu überzeugen, das Praktikum um weitere vier Wochen zu verlängern. So war es auch bei meiner dritten Teilzeitauszubildenden. Hinzu kommt bei ihr, dass sie aktuell noch einen Führerschein machen muss, damit sie die Schulwege zurücklegen kann. Dieser wird durch das Jobcenter finanziell bezuschusst. Auch dabei stehe ich zur Seite und unterstütze meine Auszubildende, damit alles reibungslos klappt.

perspektiven-schaffen.de: Wer profitiert besonders von Ihrem Konzept der altersunabhängigen Teilzeitausbildung?

Elisabeth Hoffmann-Gallhoff: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass den jungen Auszubildenden häufig der nötige eigene Wille fehlt, die Ausbildung zu absolvieren. Oft sind es die Eltern, die nach der Schule zu einer Ausbildung als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte bzw. -angestellter raten, das Interesse der jungen Erwachsenen ist aber oft ganz anders gelagert. Die älteren Auszubildenden haben sich das genau überlegt, sehen die Ausbildung als eine große Chance für den Weg in den Beruf und sind äußerst motiviert und einsatzfreudig. Denn sie wissen aus eigener Erfahrung, dass ohne Ausbildung kein berufliches Fortkommen möglich ist. Schließlich ist der Beruf auch ein Teil der Identität. Wenn meine Teilzeitauszubildenden einmal sagen: ‚Ich bin Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte‘, gibt ihnen das Selbstwertgefühl. Man empfindet sich als Teil einer Gesellschaft, in der jede beziehungsweise jeder seine Aufgabe hat. Für mich gehört eine Berufsausbildung unbedingt in den individuellen Lebensrucksack.

Natürlich stelle ich mir auch manchmal die Frage, was ich selbst davon habe, wenn ich Frauen oder Männern, die bereits älter sind, einen Ausbildungsplatz biete. Ich sehe die Vorteile täglich in der Zusammenarbeit. Unsere Auszubildenden haben von Beginn an Kontakt zu den Mandantinnen und Mandanten. Da wir im Bereich Familienrecht tätig sind, heißt es, empathisch und gleichzeitig professionell zu sein. Mit anderen Worten: Kommunikation ist in diesem Beruf unglaublich wichtig. Ich schätze die Kompetenzen, die Frauen aus ihrer Familienphase mitbringen. Diese tragen dementsprechend auch positiv zur Kultur und zum Außenbild der Kanzlei bei. Für mich ist unser Konzept der Teilzeitausbildung eine klare Win-Win-Situation für alle Beteiligten.

perspektiven-schaffen.de: Welche Perspektiven eröffnen sich für die beruflichen Wiedereinsteigerinnen (und Wiedereinsteiger) nach einem erfolgreichen Abschluss der Ausbildung kurz-, mittel- und langfristig?

Elisabeth Hoffmann-Gallhoff: Durch mein Engagement in der ‚Initiative Wirtschaftsstandort Kreis Herford e.V.‘ weiß ich, Fachkräftemangel ist in unserer Region ein wichtiges Thema. Auf der einen Seite werden Fachkräfte gesucht, auf der anderen Seite gibt es dieses ungenutzte Potenzial – vor allem von Frauen. Sie sind doch alle da, sie müssen nur ausgebildet werden. Ich merke in den Gesprächen mit anderen Unternehmerinnen und Unternehmern, dass das Thema Teilzeitausbildung wenig bekannt ist. Ich als Unternehmerin kann dazu beitragen, diese Möglichkeiten publik und den Beruf Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte möglichst schmackhaft zu machen. Zum Beispiel lade ich zweimal im Jahr in Kooperation mit dem IN VIA Bielefeld-Herford e.V. sechs bis zehn berufliche Wiedereinsteigerinnen in meine Kanzlei ein, berichte von unseren Aufgaben und erläutere Wissenswertes zum Familienrecht, zum Beispiel auch, wie wichtig eine existenzsichernde Erwerbstätigkeit für Frauen ist. Eine meiner Teilzeitauszubildenden kommt dann dazu und berichtet über das Ausbildungsmodell. Im Rahmen einer Vorstellungsrunde erfahre ich dann auch, was die Damen bisher beruflich gemacht haben und wo die ‚Reise‘ in Zukunft hingehen soll. Übrigens habe ich bei dem ersten Treffen meine dritte Teilzeitauszubildende kennen- und schätzen gelernt und daraufhin auch für sie außerplanmäßig einen Ausbildungsplatz geschaffen (lacht).

Zu den Perspektiven im Beruf der Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten kann ich nur sagen: Anwältinnen und Anwälte wird es immer geben, genauso sicher, wie es wohl immer wieder zu Streitigkeiten zwischen Menschen kommen wird. Diese sind dann eben oft nur mit juristischem Beistand zu regeln. Auch Notarinnen und Notare mit ihrem gesamten Leistungsspektrum bieten Beschäftigungsmöglichkeiten. Ich habe schon sehr viele Frauen (und auch Männer) ausgebildet. Sie haben anschließend alle sofort eine Anstellung gefunden – sei es in einer Anwaltskanzlei, im Notariat oder in anderen themenverwandten Bereichen wie zum Beispiel in einer Bank, bei einem Inkasso-Unternehmen oder sogar bei einer deutschen Botschaft im Ausland.

perspektiven-schaffen.de: Frau Hoffmann-Gallhoff, herzlichen Dank für das interessante Gespräch!